
von Ost nach West
Am Sonntag ging es mit einer mehr oder weniger unkomplizierten Zugfahrt von Wuppertal über Berlin und Coburg nach Görlitz und mit dem Fahrrad weiter nach Zodel.
Nach einer entspannten Nacht ging es dann über einen reichlich matschigen Feldweg zum offiziellen Startpunkt meiner diesjährigen Tour, dem östlichsten Punkt Deutschlands.
Dort angekommen, sah ich zwei große Zelte stehen und wurde von einer Familie - Mutter, Vater & drei Kindern (4, 6, 7) - begrüßt, die auch, bereits seit zwei Wochen auf großer Ferien-Fahrrad-Tour waren.
Für mich ging es an diesem Tag erst los, dafür aber direkt richtig.
Kein Einrollen. Keine gemütliche erste Etappe. Direkt fast 1000 Höhenmeter am ersten Tag; zwar keine langen Anstiege, dafür den ganzen Tag auf und ab und immer wieder Rampen mit bis zu 10% Steigung.
Nach den 133km meiner ersten Etappe musste ich dann auch noch feststellen, dass beide Imbisse, die in Zeltplatznähe sein sollten geschlossen waren; also nochmal 10km (5km in die Stadt und 5 zurück) um was zu essen, mit nochmals 100 Höhenmetern.
Auch der Start zur zweiten Etappe verlief nicht wesentlich vielversprechender… auch der Bäcker hat zu... also Frühstück in Meißen.
Wenigstens auf den Wetterbericht war verlass, wie angekündigt, pünktlich zum Frühstück, begann der Regen und hörte bis kurz vor Schluss der Etappe nicht auf. Die einzige Abwechslung war die Intensität.
Bei solchem Wetter kann ich mich nicht mal in den Pausen wirklich erholen. Es wird einfach zu schnell kalt. Also keine Pausen (bis auf Mittag und ein paarmal Pipi) und möglichst zügig zum Zeltplatz.
Bei all der Unfreundlichkeit des Wetters, traf ich dafür auf umso mehr Freundlichkeit von einem besorgten älteren Paar, an dessen Haus, ich nach Wasser fragte. Ich bekam „Heilwasser“ aus einer nahen Quelle. Außerdem waren die beiden netten Herrschaften scheinbar so besorgt um mich und meine Gesundheit, dass sie mich beinahe mit einem heißen Tee vor den Kamin verfrachteten hätten.
Als ich dann nach 130km, fast 1000 Höhenmetern und 6:30Std endlich und reichlich nass auf dem Zeltplatz ankam, riss tatsächlich noch der Himmel auf und die Sonne kam raus. Es wurde ein schöner Abend, allerdings eine kalte Nacht.
Die dritte Etappe sollte eigentlich eine eher entspannte werden.
Mit einem etwas genaueren Blick auf das Profil wird jedoch klar, dass die Etappe nicht ganz so einfach war, wie die 121km und „nur“ 750 Höhenmeter vermuten ließen. Zwei kürzere Abfahrten, den Rest des Tages aufwärts; nicht mit großen, steilen Anstiegen, einfach beständig aufwärts. Wenn man Westwind hinzufügt, der mir den ganzen Tag heftig ins Gesicht geblasen hat, weiß man, dass jeder Kilometer des Tages hart erkämpft war.
Auch an diesem Tag gab es in der Nähe des Zeltplatzes kein Restaurant oder Imbiss, dieses Mal jedoch nicht unerwartet. Ich war vorbereitet. Ich hatte mir ein paar Brötchen und Snacks bei der letzten Pause besorgt.
Auch dass die Besitzer des Zeltplatzes zunächst nicht anwesend waren, war kein Problem. Die anderen Camper waren sehr hilfsbereit und so war mein Zelt bereits aufgebaut und ich geduscht, als ich endlich eincheckte.
Auch wenn der Tag mit 23°C sonnig und warm war, wurde es in der Nacht wieder reichlich kalt. Ein weiteres Problem, was sich wie der Westwind durch die Woche ziehen sollte.
Reste vom Vortag dienten als Frühstück für meinen vierten Tag.
Die Planung hat mir einen harten vierten Tag versprochen und diese Erwartung sollte sich durchaus erfüllen. Schon zu Beginn des Tages einige knackige Anstiege und zügige Abfahrten. Da es am Morgen noch kühl war, wurde es in den Abfahrten schnell kalt. In den Anstiegen floss jedoch der Schweiß…
Gegen Mittag wurde es dann sogar richtig warm – 27°C. Eine ältere Dame, die ich nach Wasser fragte, gab nicht nur einige erfrischende Spritzer Zitrone hinzu, sondern auch ordentlich Eiswürfel.
Ungefähr zur Halbzeit des Tages bin ich dann sogar fast einen Kilometer auf derselben Strecke gefahren, die ich auch letztes Jahr von Nord nach Süd genutzt habe (L566 zwischen Arenshausen und Reckershausen)
Am Nachmittag kam ich an einem heftigen Autounfall vorbei, der dafür sorgte, dass sich die Autos über Kilometer auf der Landstraße stauten. Sollte mich auf dem Radweg eher weniger stören, wenn es nicht einzelne Vollidioten geben würde (siehe meinen Autofahrer-Rant).
Die beiden härtesten Anstiege hatte sich der Planer (war ich das?!) für den Schluss des Tages aufgehoben: bei Kilometer 95 ein 6,5km langer Anstieg mit 4% im Schnitt und bei Kilometer 120 nochmal ein 1,5km langer Anstieg mit 5% im Schnitt. Beide Anstiege mit Rampen deutlich über 10% - 15%.
Mein Abendessen gab es nach einem kleinen 1,5km langen Fußmarsch (es tut auch mal gut andere Muskeln zu belasten) im schönen Warburg.
Etappe 5 hielt mit 137km, 1100 Höhenmetern, steilen Rampen und weiterhin beständigem Westwind eine Vielzahl von Herausforderungen parat und war mit fast 7:30Std sogar der zeitlich Längst Abschnitt der Tour.
Das erste Highlight gab es bereits vor dem Frühstück: eine 1km langer Anstieg mit 7% im Durchschnitt und Rampen von über 15% in die Altstadt vor Warburg.
Auch der Rest des Tages hielt eine gehörige Auswahl an Anstiegen, Rampen und sonstigen Spielereien parat, die das Radlerherz höherschlagen lassen – oder zumindest den Puls in die Höhe treiben.
Im Laufe des Tages kam dann eine zusätzliche Herausforderung für dem Kopf hinzu. Möhnesee, Wickede, Schwerte, Soest, Dortmund, schon oft mit dem Motorrad in der Gegend gewesen, fast zu Hause und doch stehen noch so viele Kilometer auf dem Tacho bis zum Ende der Tour.
Gegen Ende des Tages, bei meiner Durchfahrt von Schwerte kam es dann zum zweiten Mal zu einer brenzligen Situation mit einem Auto, auch dazu mehr im „Rant“.
Auf dem Zeltplatz – offiziell in Dortmund – gab es jede Menge Radfahrer:innen, viele auf dem Ruhrtalradweg unterwegs. So ergaben sich einige interessante Gespräche, auch beim Abendessen, in einem Biergarten, direkt an der Ruhr.
War ich am Tag 5 in der Nähe der Heimat, musste ich am Tag 6 direkt hindurch. Alt bekannte Wege, die ich bereits mit dem Rennrad gefahren bin, hinein nach Wuppertal, entlang meine Laufstrecke auf der Nordbahntrasse und kurz die 200m nach Hause um schonmal einen Großteil des Gepäcks los zu werden (ja, ein bisschen Cheating, aber was solls…).
Weiter über wohlbekannte Strecken durch Mettmann und Erkrath nach Düsseldorf.
Hier überraschte mich zuerst Det mit seinem Sohn und einige Kilometer später Ivo an der Straße. Ich habe mich SEHR gefreut über die beiden kurzen Pausen mit euch!
Trotzdem musste es weiter gehen: Neuss, Mönchengladbach und wieder in Gegenden, die mir weniger bekannt waren.
Wirkliche Anstiege hatte ich - nachdem ich Wuppertal hinter mir gelassen habe - nicht mehr zu erwarten, dafür sorgte der wieder auffrischende Westwind und die ständige Durchfahrt von Städten und kleinen Dörfern (viele Ampeln und immer wieder Anhalten und neu Beschleunigen) für die größten Anforderungen des letzten Tages. Ganz zu schweigen von den 144km, die am Ende der Etappe auf meinem Tacho standen.
Als ich mich dann endlich der Niederländischen Grenze nährte, wurde ich dort von Elea und meinem Dad erwartet. Noch ein kurzer Abstecher über einen Parkplatz, eine letzte Ecke und ich war überglücklich an meinem Ziel, dem westlichsten Punkt Deutschlands.
Autofahrer-Rant
Teil1:
Während ich auf dem Radweg an einem Stau verbeifahre, der durch einen Autounfall, verursacht wurde, kamen mehrere Autofahrer auf die Idee lieber zu drehen als zu warten. Ein besonders geschickter Mann, mit Anhänger am Auto nutze dafür natürlich den Fahrradweg.
Als ich mich nähere, bremst er und steht. Ich denke, er hat mich gesehen und lässt mich auf dem noch verbleibenden schmalen Streifen passieren, bevor er sein Vorhaben weiter umsetzt.
Pustekuchen…
Als ich auf dem schmalen Steifen bin, fährt er wieder (rückwärts) an und fast in mich hinein.
Mein „HEYYY!“ sollte zu 95% ein „mach die Augen auf und bring mich nicht um!“ sein und enthielt ganz bestimmt nur ein ganz kleines bisschen „… du blöder Arsch!“
Seine etwas ernüchternde Antwort (ebenfalls gebrüllt und mit viel Vorwurf in der Stimme): „Was denn? Du siehst doch, dass ich drehe…“
In solchen Situationen ruhig zu bleiben gehört nicht unbedingt zu meinen Stärken:
„…und du siehst doch, dass du auf einem Fahrradweg bist… du blöder Arsch!“ (jetzt also doch ausgesprochen…)
Teil2:
Schwerte, eine Einbahnstraße für Autofahrer. Für Radfahrer jedoch in beide Richtungen freigegeben. Für meine Fahrtrichtung (also die Richtung gegen den Autoverkehr) sogar mit einem eingezeichneten Radstreifen. Mehrere Autos kommen mir entgegen; vollkommen problemlos. Als ich die Straße zur Hälfte hinter mir habe, kommt mir eine Frau in einem Kleinwagen entgegen, wobei sie weite Teile des Radstreifens (ca 75%) benutzt, mir bleibt bei Weitem nicht genug Platz. Ich werde langsamer, warte darauf, dass sie reagiert und mehr Platz macht. Sie reagiert nicht. Ich komme zum Stehen, sie hält weiter auf mich zu.
Ich versuche auf mich aufmerksam zu machen: „Hey! Was soll das? Mach Platz!“ – sie beginnt wild zu gestikulieren, als hätte sie keinen Platz zum Ausweichen; wieso hatten die SUVs, die mir vorher entgegen gekommen sind keine Probleme? Was ist mit den 1,5 Metern, die sie Abstand zu den parkenden Autos auf der anderen Seite lässt? Sie kommt ebenfalls zum Stehen „Verpiss dich endlich du ****!“ langsam gibt sie mir genug Platz, damit ich vorbei komme - mit ein paar deutlichen Worten in ihre Richtung… Sie sagt gar nichts mehr, aber von einem Café, was auf dem Bürgersteig steht fragt mich ein Gast: „Muss man sich so aufregen?“
Ich bin sprachlos… Muss ich mich aufregen, wenn ich auf einem Radweg von einem Auto fast überfahren werde? Ja, ich denke schon.

ein paar Zahlen zu der Tour
-
Distanz: 794 Kilometer
-
5550 Höhenmeter
-
Zeit im Sattel: 40Std 47min
-
durchschnittliche Geschwindigkeit: 19,5 km/h